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Donnerstag, 8. August 2013

"You got a pretty hot ass" sagte sie und zog sich den nächsten rein.

Die Geschichte einer Freundschaft


Als ich sie das erste Mal sah, machte sie einen fast schon biederen Eindruck. Sie saß bei uns im Wohnzimmer auf einem Stuhl, die Beine übereinander geschlagen, in einer dunklen Hose und einem beigen Jacket. Die schwarzen Haare waren in einem strengen Zopf zurückgebunden, und ihre dunklen Augen fixierten mich unfreundlich. In einer rauhen Stimme erzählte sie uns von ihrem angehenden PHD, dass sie ihre Heimat New Mexico vermisst und sehr gerne Hunde mag. Amerikanerin! Von denen hielt ich nicht viel. Sie würde bis Ende November bleiben und dann für drei Monate nach Albuquerque zurückgehen, bevor sie nach Canberra zurück kommt und ihren PHD zu Ende macht. Und sie findet unsere WG sehr schön, und würde sofort einziehen, wenn wir es wollen. Nachdem sie gegangen war, sah ich Dal fragend an. "So, what do you think?" Er zuckte die Schultern in seiner für ihn typischen Art und sagte, sie scheint ok zu sein, wir sollten ihr zusagen. Ich zögerte. Gott, sie war mir irgendwie überhaupt nicht sympatisch, wirkte langweilig, fast schon unheimlich und irgendwie auch uncool. Aber ich wusste, das Zimmer musste neu vermietet werden und zwar schnell, denn Dal muss als Hauptmieter die fehlende Miete übernehmen, und das tat er bereits seit ein paar Wochen. Die bisherigen Kandidaten waren entweder nicht vielversprechend gewesen oder hatten uns abgesagt. "Well, I guess we could give it a try." erwiderte ich und Dal wandte sich schon wieder anderen Dingen zu, das Thema schien erledigt. Drei Tage später zog sie bei uns ein.

Da war sie nun, plötzlich teil meines so geliebten Zuhauses, meiner WG-Familie, ein durch den Flur schleichender Eindringling in meine gefestigten Gefilde. Und sie war immer da. Immer. Freunde hatte sie kaum. "Kein Wunder" dachte ich arrogant und stahl mich des abends zunehmend zu 'normalen' Freunden und erzählte ihnen von meiner seltsamen neuen Mitbewohnerin. Ich erzählte, dass sie täglich um sechs aufsteht, sich einen Kaffee macht und im Bademantel in den Garten geht, um einen Kopf zu rauchen. Dass sie überhaupt sehr oft im Bademantel zu Hause herumschlurft. Dass sie mitkommen wollte als ich laufen ging, und mir dann nach einer viertel Stunde locker nebeneinanderher-joggens erzählte, sportliche Betätigung würde sie immer erregen. Dass ich ständig das Gefühl hatte, sie würde mich mit den Augen ausziehen und oft und gerne über 'erotische Themen' sprach. Dass sie regelmäßig einen mächtigen Hustenanfall bekommt, sie das aber nicht am täglichen Pott rauchen hindere. Dass sie einen Kumpel hatte, der weder schön noch schlau war, ständig vorbei kam und mit dem sie mit Pinsel und Tusche Bilder von Einhörnern und Rittern malte.

"Oh mein Gott" dachte ich mehrfach und fragte mich, was für einen seltsamen Fang wir uns da in unsere Hütte geholt haben. Doch Dal schien das alles gelassener zu sehen und ihre Anwesenheit immer mehr zu genießen. Ich zierte mich und verhielt mich daher zwar freundlich aber reserviert. Doch die Wochen zogen ins Land, es wurde Frühling und unsere kleine WG fand sich zunehmend am Abend zusammensitzend im Garten, wo sich auch unsere Nachbar-WG nahezu täglich dazu gesellte. In vielen Nächten redeten wir über Gott und die Welt, über das Leben und alles andere. Meine seltsame Amerikanerin schaffte es mir meine Arroganz und Vorurteile auszutreiben. So wich meiner Reserviertheit langsam aber sicher Bewunderung. Sie sah mir direkt in die Augen während wir gegenüber saßen und sagt in ihrer rauchigen Stimme, sie fände mich schön und meinen Hintern heiß wenn ich in meinen engen Sportklamotten abends vom Laufen kam. Ich erkannte dass sie es nicht aufdringlich meinte, da sie sich ihrer Chancen bewusst war und reagierte genau mit dem, was sie beabsichtigt hatte: ich sah es als reines Kompliment und freute mich. Es wurde herrlich unkompliziert. Sie schleuderte mir ihre Ehrlichkeit stets schamlos ins Gesicht, und ich liebte sie dafür. Wenn sie mit einem Typen schlief, erzählte sie mir wie groß sein Schwanz war, und wie oft sie gekommen ist. Wenn sie fand, meine Klamotten passen nicht zu mir, sagte sie mir direkt das sieht scheiße aus. Und lieh mir ihre Sachen. Wenn sie traurig war, weinte sie hemmungslos und ich hielt sie im Arm. Wenn wir zusammen ausgingen, tanzte sie so intensiv und leidenschaftlich wie keiner zu den Salsa-Klängen, obwohl sie die Schritte nicht beherrschte, und scherrte sich einen Scheiß wenn andere abwertend glotzen. Ich gesellte mich dazu und ließ mich mitreißen - und fühlte mich so lebendig und unabhängig wie schon lange nicht mehr.

Und dann klingelte um Vier Uhr Dreißig morgens der Wecker. Ich war hundemüde, denn in der Nacht zuvor habe ich mit Dan wieder viel zu lange beim Rotwein über das Leben philosophiert, und zwang mich aus dem Bett. Es war Anfang Dezember, und ich hatte noch drei Stunden bis ich zur Arbeit musste. Ich schlurfte aus meinem Zimmer, und stolperte fast über ihren Koffer. Vier Monate waren rum. War sie mit dem nicht gerade erst eingezogen? Sie wuselte geschäftig hin und her, in fünf Minuten komme ihr Taxi. Ich stand unschlüssig und unnütz daneben, war müde, verkatert und traurig. Sie zog den Reißverschluss ihres Koffers zu, sah mich an und nahm mich in den Arm. Ich wusste, sie war froh jetzt nach Hause, nach New Mexico zurück zu können. Australien war nicht ihr Land auch wenn sie das Zusammenleben mit uns genossen hat. Aber sie würde mich vermissen. Ich hielt sie fest und sagte ihr Danke. Für Alles. Das Taxi fuhr vor. Sie nahm ihren Koffer und stieg unsere Eingangstreppe herunter. Ich stand in der offenen Haustür und sah sie ins Taxi steigen. Sie drehte sich nicht nochmal um. Ihr mit Wasserfarben gemaltes Einhorn hängt in meinem Zimmer.


Den Artikel gibt's übrigens auch hier.

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